von Olaf Lorch-Gerstenmaier
PFORZHEIM/MANNHEIM. Ermittler haben am Dienstag (24.11.2009) im Pforzheimer Rathaus eine Hausdurchsuchung vorgenommen. Es geht um den Untreue-Verdacht gegen Kämmerin Susanne Weishaar und Ex-OB Christel Augenstein.
„Es war so gegen zehn“, erinnert sich Pforzheims Oberbürgrmeister Gert Hager (SPD), „als sie kamen.“ Sie: knapp ein Dutzend Beamte der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen aus Mannheim und Polizeibeamte der Landespolizeidirektion im Regierungspräsidium Karlsruhe. Alles Spezialisten, eigens geschult und ausgebildet, mutmaßlichen Wirtschaftsdelikten in Millionenhöhe auf die Spur zu kommen.
War das Derivate-Geschäft unter Ex-OB Christel Augenstein (FDP) und Noch-Kämmerin Susanne Weishaar eines? Die Ermittler präsentierten dem Hausherrn einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss, der sich auf mehrere Ämter erstreckte – auch seines –, darunter die Stadtkämmerei, das Personal- und Organisations- und das Rechnungsprüfungsamt.
„Damit war zu rechnen“, sagt Hager, denn seit mehreren Wochen ermitteln die Mannheimer im Fall einer anonymen Anzeige.
Diese richtet sich gegen Kämmerin Weishaar und Hagers Amtsvorgängerin Augenstein. Es geht um den Verdacht der Untreue zum Nachteil der Stadt. In Augensteins Amtszeit war es unter Weishaars Federführungen zu jenen Zinsderivat-Geschäften mit der Deutschen Bank und den noch verhängnisvolleren „Spiegelgeschäften“ mit der J.P. Morgan Bank gekommen, die die Stadt möglicherweise über 77 Millionen Euro kosten könnten. Hager informierte telefonisch die Fraktionen, teilte Florentin Goldmann (CDU), Dorothea Luppold (SPD), Hans-Ulrich Rülke (FDP), Bernd Zilly (Unabhängige Bürger) und Axel Baumbusch (Grüne Liste) mit, was läuft.
„Das war zu erwarten“, sagt auch Oberstaatsanwalt Christoph Reichert, Leiter der Pforzheimer Anklagebehörde. Er hatte das Verfahren an die Mannheimer Kollegen abgegeben – „erstens sind die zuständig, und zweitens haben sie ganz andere Möglichkeiten“. Denn Bilanzen lesen will gelernt sein, und mittels mobiler Festplatten elektronische Dateien rüberzuziehen, um sie in aller Ruhe auszuwerten – dafür sind die Spezialisten ausgebildet. Ebenso wie ihre Pendants bei der Landespolizeidirektion – nicht selten Quereinsteiger, die einen beruflichen Hintergrund als Buchprüfer oder Bankkaufleute haben.
Bundesweites Interesse
Es ist 14.10 Uhr. Im Rathaus weiß man, welche Wellen die Nachricht von der Durchsuchung geschlagen hat und noch weiter schlagen wird. Wann wird schon mal in Deutschland ein Rathaus durchsucht? „In Pforzheim das erste Mal“, sagt Pressesprecher Michael Strohmayer. „Da müssen wir jetzt durch“, sagt Hager – er weiß um die Negativ-Schlagzeilen, in die Pforzheim wieder einmal gerät.
Man entschließt sich zur medialen Offensive: Hager und der zuständige Staatsanwalt Staatsanwalt Uwe Siegrist verlassen das Rathaus. Ermittler tragen eine Umzugskiste. Auf ihr steht: „Büro Weishaar“ – Material aus der Kämmerei. Doch Auskünfte der Staatsanwaltschaft darf nur Behördensprecher Thomas Pfeiffer geben. Der bestätigt, was durch eine erste Pressemitteilung ohnehin bekannt ist. Über die voraussichtliche Dauer der Ermittlungen macht er keine Angaben.
Parallel laufen seit einigen Monaten interne Untersuchungen durch die Gemeindeprüfanstalt. Das Ergebnis wird laut Hager in knapp zwei Wochen erwartet. Dann soll fest stehen: Wer hat wann was gewusst? Vor allem: Wer war verantwortlich für die riskanten Geschäfte, die eigentlich dazu dienen sollten, die Zinslast der Stadt zu drücken?
Dann wird der Bericht dem Gemeinderat vorgestellt, voraussichtlich am 15. Dezember.
Und nach den Haushaltsberatungen wird Hager zu einer Bürgerinformationsveranstaltung einladen. Thema: die Finanzsituation der Stadt vor dem Hintergrund einbrechender Gewerbesteuereinnahmen und drohender Millionenzahlungen an die Banken.
Mit freundlicher Genehmigung der Pforzheimer Zeitung