Aus NDR-Bericht lernen
Da ich meine Kindheit und Jugend in Pforzheim verbrachte, verfolge ich noch immer die Kommunalpolitik und das Geschehen in dieser Stadt. Ich bin entsetzt, welche Wellen eine Fernsehsendung schlagen.
Der NDR berichtete in „Plusminus“ über die Derivate (unerlaubte Zinsspekulationen), denen leider auch Pforzheim nicht widerstehen konnte. Die Stadt selbst ist – auch ohne diese Zinswetten – hoch verschuldet. Das Desaster „Derivate“ verschärft natürlich die Lage der Stadtkasse dramatisch. Normalerweise dreht man in diesem Fall den Pfennig zwei mal um, bevor man ihn ausgibt. Sozialausgaben werden leider (sie haben zu wenig Lobby) am schnellsten gekürzt. Die Bundesregierung zeigt uns gerade überdeutlich, wie man das macht.
Der NDR wollte den Zuschauern verdeutlichen, in welchen „Abwärtstrend“ eine finanzschwache Stadt geraten und welche Folgen das „Zocken“ haben kann.
Früher versteckte man Kinder, die nicht ins Schema passten. Heute ist man nicht weiter – man ignoriert seine „Schmuddelecken“ und will sie verstecken. Statt aus dem Bericht und den Bildern zu lernen und die Situation zu verbessern, herrscht große Aufregung. Die Stadtväter stecken den Kopf in den Sand und lamentieren über den „bösen NDR“. Ich habe den Eindruck, es wird kräftig Schaum geschlagen, um von den eigentlichen Problemen Pforzheims
abzulenken.
Es gibt aber nicht nur heile Welt (Schmuckwelten) in dieser Stadt, obwohl ich zugebe, dass es in Pforzheim auch traumhaft schöne Ecken gibt – welch ein Glück! Diese aber zur Veranschaulichung der mehr als düsteren Finanzlage ins Bild zu bringen, hätte das Thema verfehlt. Dass der NDR in der Plusminus-Sendung keine „Goldstadt“ zeigen wollte, sondern die negativen Folgen einer nahezu bankrotten Stadt (unter anderem durch Zinsspekulationen/Derivate), war zweifelsfrei die gestellte Aufgabe. Und was ist schlimmer, als bei einem Aufsatz das Thema, also die Aufgabe zu
verfehlen?
Zwei Alternativen hätte ich deshalb:
1. Auf zu neuen Ufern, packen wir’s an – siehe geplanter Stadtenwicklungsplan (Verbesserung der Situation der Einfallstraßen nach Pforzheim oder Abhilfe schaffen bei „Schmuddelecken“). Wichtig wäre, die Stadt würde bei ihren
eigenen Gebäuden, speziell Mietshäusern (mit ihrem Umfeld) anfangen, sie aufzuhübschen.
Oder
2. Pforzheim-Ost (und weitere kritische Einfallstraßen) könnten gesperrt werden. Das Thema wäre dann erledigt, weil die „Schmuddelecken“ nicht mehr auffallen und weiter vor den Besuchern versteckt werden.
Georg Köhler
Mit freundlicher Genehmigung des Pforzheimer Kurier
Dieser Leserbrief wurde im Pforzheimer Kurier ungekürzt veröffentlicht – die PZ hat ihn leider stark gekürzt in der PZ am 10.07.2010 veröffentlicht.