„Nicht dem Leben mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben geben.“ (Cicely Saunders)
Die Medizin hat in den letzten Jahrzehnten vieles möglich gemacht, was zu früheren Zeiten undenkbar schien.
Die Menschen werden immer älter, aber nicht zwangsläufig gesünder. Für Viele bedeutet eine hoch technisierte Medizin und Unmengen an Medikamenten nicht mehr Lebensqualität, sondern nur verlängertes Leiden.
Oft ist es nicht möglich, diese „geschenkten“ Monate oder Jahre eigenverantwortlich und selbst bestimmt zu gestalten, weil eine intensive Pflege notwendig geworden ist.
In den meisten Pflegeheimen ist das Personal völlig überfordert. Pro Schicht gibt es in der Regel nur eine Pflegefachkraft, der noch ein bis zwei Hilfskräfte zur Seite stehen. Diese Pflegefachkraft trägt die volle Verantwortung für die Patientenversorgung, Dokumentation, Krankenbeobachtung und ihre Kollegen. Bei einer Belegung von 20 bis 30 Bewohnern inklusive zahlreicher Pflegefälle, ist eine ausreichende medizinische und menschliche Versorgung nicht zu gewährleisten.
Ähnlich dramatisch sieht die Versorgung im ambulanten Pflegebereich aus. Der zeitliche Rahmen für Pflegeleistungen wird immer enger. Das Pflegepersonal steht unter einem immensen Zeitdruck, welcher die Arbeit für diese engagierten Kräfte deutlich erschwert und unbefriedigend macht.
Außerdem ist eine erschreckende Tendenz bei einigen Alten- und Krankenpflegeschulen zu beobachten. Die Ausbildungsbetriebe legen ihren Schwerpunkt eindeutig auf das Füllen ihrer Kurse und prüfen nur mangelhaft oder gar nicht, ob ein Bewerber für diesen Berufszweig geeignet ist. Außerdem werden häufig Umschüler und Nicht-Vermittelbare in die Pflegeausbildung vermittelt.
Ein kleiner Lichtblick sind die, besonders in Baden-Württemberg, immer zahlreicher werdenden palliativen Versorgungseinheiten. Diese betreuen sowohl stationär als auch ambulant schwerstkranke Menschen, die nicht mehr geheilt werden können. Dabei steht Symptomlinderung, insbesondere bei Krebspatienten im Vordergrund. Die meisten dieser Menschen werden in einem Zeitraum von wenigen Tagen bis drei Monaten betreut, bis sie versterben. Eine Palliativstation bedeutet für jedes Krankenhaus Prestige aber auch Kosten. Bei diesen Patienten werden meist keine aufwendigen Untersuchungen mehr gemacht, die sich teuer abrechnen lassen.
Bis April 2010 waren alle ambulant arbeitenden Palliativeinheiten auf Spenden, Fördervereine oder die Unterstützung von Krankenhäusern angewiesen. In der Regel sind diese Brückenpflegen einem onkologischen Schwerpunkt angeschlossen. Für die Pflege und Versorgung dieser schwerstkranken Menschen konnte nur der Satz aus den Leistungspaketen der Pflegeversicherung abgerechnet werden. Einige Leistungen ließen sich gar nicht abrechnen.
Eine Betreuung Sterbender mit der Stoppuhr ist aber weder möglich noch menschlich!
Die Versorgung durch diese Palliative-Care-Teams ist sehr komplex. Arbeitsbereiche von Entlassmanagement über qualifizierter und Symptomkontrolle, Pflege, Gespräche mit Patienten und Angehörigen sowie Sterbebegleitung werden abgedeckt.
Seit etwas mehr als einem Jahr gibt es glücklicherweise einen anderen Abrechnungsmodus für bestimmte Tätigkeitsbereiche:
Die so genannte Spezialisierte Ambulante Palliativ Versorgung (SAPV). Diese Versorgung bereitet sich aber sehr schleppend aus.
Generell steht jedem sterbenden Menschen in Deutschland eine Allgemeine Ambulante Palliativ Versorgung (AAPV) oder unter gewissen Kriterien eine SAPV zu.
Leider gibt es noch keine flächendeckende, qualitativ gleichwertige Versorgung in allen Bundesländern. Diese Teams müssen in der Regel einen gesamten Landkreis betreuen. Die Mitarbeiter verfügen über mindestens eine Zusatzqualifikation. Trotz hoher Spezialisierung ist das Gehalt nach den neuen Tarifen des TVÖD geringer, als noch vor einigen Jahren. Viele Zuschläge sind vollkommen gestrichen. Besonders Pflegekräfte die den Arbeitsplatz wechseln, haben große Verluste. Hierbei handelt es sich nicht um ein paar sondern um ein paar hundert Euro. Trotz großem Einsatz und Verantwortung mit Schicht- und Wochenenddienst wird der Dienst am Menschen in Deutschland nicht genügend wert geschätzt und honoriert.
Da viele Brückenpflegeteams an den onkologischen Schwerpunkt eines Krankenhauses angebunden sind, werden von ihnen nur Krebspatienten versorgt. Das bedeutet, ein Krebspatient stirbt vielerorts viel besser betreut, als z.B. ein Patient mit Herzschwäche, die oft auch ein langes Leiden nach sich zieht.
Dem Leser mag jetzt wieder die so genannte „Zwei-Klassenmedizin“ in den Sinn kommen. Manch einer mag denken „zum Glück bin ich privat versichert, so wird mir eine bessere oder schnellere Behandlung zu teil“.
Dem ist nicht immer so!
In den Krankenhäusern erhalten Privatpatienten oft aufwendigre, häufigere und teure Diagnostik. Über Spätschäden z.B. durch Röntgenstrahlung, durch CT’s liegen noch keine Ergebnisse vor.
Junge, gesunde Menschen sind bei Privatkassen gut versichert. Aber durch die hohen Beiträge im Alter und dadurch, dass diese Patienten, selbst wenn die Krankasse alle Kosten übernimmt zuerst in Vorleistung gehen müssen, tun sich oft große Problem für alte, chronisch kranke und schwerstkranke Menschen auf.
Auch viele große gesetzlichen Krankenkassen (GKV) die noch vor 10 bis 15 Jahren für gute Patientenversorgung standen, sind eine wahre Herausforderung für das Entlassmanagement einer jeden Klinik. Oft ist abzusehen, dass sich der Zustand eines Patienten schnell verschlechtern wird, jedenfalls für Ärzte und Pflegepersonal. Leider sehr häufig nicht für die Krankenkasse. Viele Patienten können z.B. nur nach Hause entlassen werden, wenn sie ein Pflegebett bekommen. Manche Krankenkassen verweigern aber dieses Bett solange der Patient keine Einstufung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) in eine Pflegestufe bekommen hat. Diese Einstufung dauert bis zu drei Monaten. Manche Patienten sind verstorben bis sie eine Pflegestufe bekommen haben. Da tröstet es die Angehörigen auch nicht, dass die Pflegekasse Leistungen und Hilfsmittel rückwirkend ab dem Tag der Antragstellung übernimmt.
Neben einigen wenigen, sehr bemühten Betriebskrankenkassen gibt es nur noch eine große Krankenkasse bei der Schwestern und Pfleger der Pflegeüberleitung und der Brückenpflege einer Entlassung relativ entspannt entgegen sehen können, da Vieles ohne zusätzliche Formulare und Berichte funktioniert.
Generell ist für jeden Menschen möglich, der mindestens 18 Monate bei einer GKV versichert war, die Krankenkasse zu wechseln. Auch alte und chronisch kranke Menschen, sowie Patienten mit begonnen teuren Therapien haben keine Ausschlusskriterien.
Besonders schlecht dran sind meist alte Menschen, die sich „nur“ einen Arm, Schlüsselbein oder Fuß gebrochen haben und nicht durch Angehörige versorgt werden können.
Wenn diese Patienten ihren Haushalt nicht mehr führen können oder selbständiges Anziehen zum Problem werden, sind sie auf Hilfe von außen angewiesen. In einem solchen Fall zahlt aber die Pflegekasse nicht, wenn abzusehen ist, dass sich der Zustand desjenigen in den nächsten 6 Monaten wieder verbessert, was bei einer solchen Verletzung anzunehmen ist.
Wenn keine Angehörigen diese Versorgungslücke schließen können, gibt es zwei Möglichkeiten: Die Betreuung in der Kurzzeitpflege oder die Versorgung zu Hause über eine Sozialstation. Bei beiden Möglichkeiten müssen, sofern die wirtschaftlichen Vorraussetzungen für Sozialhilfe nicht erfüllt sind, der Patient oder die Angehörigen die Kosten übernehmen. Versorgung wie z.B. die Körperpflege sind der Grundpflege zugeordnet und können nicht über eine ärztliche Verordnung wie z.B. ein Verbandwechsel abgerechnet werden.
In beiden Fällen kommen schnell die Kosten des Gehalts einer in Vollzeit arbeitenden Krankenschwester zusammen.
Trotzdem ist unser Gesundheitssystem immer noch eines der besten der Welt.
Wir müssen uns nur irgendwann entscheiden, welchen Weg es nehmen soll:
Dem Leben mehr Tage, oder den Tagen mehr Leben zu geben.