01.02.2009 Dr. Grimmer, UB
Wenn schon Ersatzbrennstoffe in einem Kraftwerk mitverbrannt werden, dann darf im Interesse der Bevölkerung die Luftbelastung nicht höher werden als vorher – sie muss im Zuge der technischen Umrüstung eher gesenkt werden. Dies war die zentrale Forderung, die der Chemiker Dr. Thomas Guth bei einer Informationsveranstaltung der Unabhängigen Bürger im Familienzentrum Oststadt am 28.01.2009 erhob.
Diese Forderung sei aber nicht einfach zu verwirklichen, wie Dr. Guth ausführte, denn Heizkraftwerke seien keine Müllverbrennungsanlagen, es fehlten ihnen hierzu entscheidende Komponenten. Das werde insbesondere am Beispiel der Entstickung deutlich: Hier wird bei Kraftwerken eine nichtkatalytische Reinigungsstufe (SNCR) verwendet, die sowohl geringere Investitionskosten verursacht, wie auch Folgekosten wegen eines zusätzlichen Energiebedarfs vermeidet. Für Müllverbrennungsanlagen sei das katalytische Verfahren (SCR) aber unverzichtbar. Dass selbst diese MVA sehr unterschiedliche Schadstoffwerte ausweisen, belegte er durch einen Vergleich zweier laufender Anlagen, die – trotz Einhaltung der Werte der 17. Bundesimmissionsschutzverordnung – bei nahezu allen Stoffen jeweils etwa um den Faktor 10 auseinander liegen.
Es sei bedenklich, dass sich die HKW GmbH, ähnlich wie die schlechtere der beiden verglichenen Anlagen – mit den Grenzwerten der 17. BImSchVO zufrieden gebe, anstatt im Interesse der Pforzheimer Bevölkerung deutlich bessere Werte anzustreben, gerade auch angesichts der problematischen Lage des Kraftwerks im tief eingeschnittenen Enztal. So mute es schon sehr seltsam an, dass man jetzt gerade noch kurz vor dem Inkrafttreten der strengeren 37. BImSchVO vollendete Tatsachen schaffen und auf Basis der 17. BImSchVO genehmigen lassen wolle, anstatt der Bevölkerung die niedrigen Schadstoffwerte der neuen Fassung zukommen zu lassen. Ebenso sei zu kritisieren, wenn die klaren, durch das RAL-Qualitätssiegel vorgegebenen Grenzwerte nur zum Teil eingehalten werden.
Ein weiteres bedenkliches Verhalten der Kraftwerksbetreiber sah Dr. Guth bei den Verbrennungstemperaturen, bei denen nicht einmal die 17. BImSchVO eingehalten werde. Die bei Verbrennungsprozessen ab 200 Grad entstehenden Dioxine und Furane zersetzen sich ab 800 Grad, weshalb die Verordnung 850 Grad über mindestens zwei Sekunden hinweg vorschreibe, eine sichere Zerstörung sei erst bei ca. 1000 Grad gegeben. Das HKW erfülle diese Forderung mit nur 780 Grad bei weitem nicht und versuche, das Manko durch einen Gutachter schönreden zu lassen, der kein Thermodynamiker, sondern Fachmann für Filtertechnik sei, der aber dem HKW schon früher mit einem Beratervertrag verbunden war.
Hinsichtlich der aktuellen Feinstaubdebatte sei überdies festzustellen, dass bei gleicher Filtertechnik ein erheblicher Mehrausstoß schon daher resultiere, dass zur Erreichung eines gleichen Brennwertes erheblich mehr Material eingesetzt werden müsse: Da der Brennwert der beiden vorgesehenen Ersatzstoffe nur bei etwa einem bzw. maximal zwei Dritteln des Brennwerts von Kohle liege, seien entsprechend mehr Transporte erforderlich, und die gingen überdies anstelle der Schiene wie bei Kohle ausschließlich über die Straße. Gerade die gesundheitsschädlichsten und lungengängigsten Stäube werden überhaupt nicht gefiltert: Ist die Filterleistung bei mehr als 10 µm sehr hoch und darunter noch bis zu 30 Prozent, so liegt sie bei 5 µm fast bei Null.
Abschließend ging der Referent noch auf die Marktsituation der Ersatzbrennstoffe ein und zeigte auf, dass Deutschland aufgrund der Überkapazitäten in Müllverbrennungsanlagen bereits heute ein Müllimportland sei, mit über fünf Millionen Tonnen jährlich, davon z.B. eine Million aus Italien und über zwei Millionen aus den Niederlanden.
Sein Fazit: die Verbrennung von Müll ist zu verantworten, wenn die Anlage hierfür geeignet und ausgelegt ist, und wenn ein Konsens besteht, der Bevölkerung einen bestmöglichen Schutz durch hochwertige Filtertechnik zu gewähren. Beide Bedingungen zieht er aufgrund der Sachlage in Pforzheim aber in Zweifel.
Für die Unabhängigen Bürger forderten deren beide Stadträte, Dr. Bernd Grimmer und Bernd Zilly, genau dazu auf: Wenn schon Müllmitverbrennung, solle durch verbesserte Filteranlagen und bessere, als den vorgesehenen monatlichen Kontrollen, mehr in die Sicherheit investiert werden. Die Veranstaltung sollte zur Information für den Erörterungstermin des Regierungspräsidiums beitragen. Dieser findet am Donnerstag, dem 5. Februar ab 10 Uhr im Amt für Umweltschutz, Östliche 9 statt.