In Sachen Derivate mehren sich die Zeichen, wonach nun auch juristisch anerkannt wird, dass Kommunen wie Pforzheim beim Abschluss von höchst umstrittenen Zinstauschgeschäften mutmaßlich falsch oder unvollständig beraten worden sind. Gewinnen konnten dabei nur die Banken. Diesen Tenor vermittelte auch ein Beitrag des ZDF-Politmagazins Frontal 21, in dem am Dienstagabend auch die ehemalige Pforzheimer Kämmerin Susanne Weishaar zu Wort kam (siehe auch Nachgefragt).

Vor allem das jüngste Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart, das einem gegen die Deutsche Bank klagenden Unternehmer aus Freiberg am Neckar Recht gab und die Zinsspekulations-Geschäfte mit Glücksspielen verglich, stimmt auch die Pforzheimer Rechtsamtsleiterin Andrea Hermesmeier zuversichtlich. „Dieses Urteil bestärkt uns in unserer Position und macht uns Hoffnung“, sagte Hermesmeier gestern gegenüber dem Pforzheimer Kurier. Allerdings stimme es nicht, dass die Stadt – wie in dem Fernsehbeitrag behauptet – bereits eine Klage gegen die beteiligten Banken vorbereitet. Darüber sei noch nicht entschieden, zumal das von der Stadt bei dem Tübinger Professor Heinz-Dieter Assmann in Auftrag gegebene Zweit-Gutachten zu den Erfolgschancen eines juristischen Vorgehens gegen die Deutsche Bank und das Bankhaus J.P. Morgan noch nicht fertig sei.

Hermesmeier rechnet damit, dass das Gutachten noch vor der Sommerpause vorliegt und der Gemeinderat dann über die Frage einer Klage entscheiden kann. Der Stadt droht, wie mehrfach berichtet, aus den Derivate-Geschäften ein Schaden in Höhe von bis 77 Millionen Euro, weshalb die Stadt ihre Derivate möglichst bald loswerden will. Ob das geht, steht noch nicht fest.
Für die Stuttgarter OLG-Richter steht fest, dass die Banker bei ihren Zinstauschgeschäften mit so genannten Swaps ihre Kunden über den Tisch gezogen haben. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Die Revision der Deutschen Bank wurde zwar abgelehnt, doch über die daraufhin erfolgte Nichtzulassungsbeschwerde ist noch nicht entschieden worden.
Gespannt sieht man in Pforzheim auch der von der Deutschen Bank angestrengten Berufungsverhandlung im Verfahren mit den Stadtwerken (SWP) entgegen. Die Verhandlung soll Mitte Mai am Oberlandesgericht in Frankfurt stattfinden. Die Frankfurter Richter hatten den Stadtwerken Pforzheim in Sachen Derivate einen erstinstanzlichen Sieg beschert und die Deutsche Bank zu Schadenersatz verurteilt.

Weil unter anderem auch das Oberlandesgericht Koblenz zumindest teilweise ein Beratungsverschulden der Deutschen Bank gegenüber einer Kommune festgestellt hat, sieht Rechtsamtsleiterin Hermesmeier „gewisse neue Tendenzen in der Rechtsprechung“, die der Stadt Mut machen.
Derweil dauern die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Mannheim, die aufgrund einer anonymen Anzeige das Vorgehen der früheren Oberbürgermeisterin Christel Augenstein und der Ex-Kämmerin Susanne Weishaar in Bezug auf die Derivate-Geschäfte prüft, noch immer an. Gegenüber dem Pforzheimer Kurier erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Peter Lintz, gestern lediglich, „man kann derzeit nicht sagen, bis wann die Ermittlungen abgeschlossen sein werden“. Mike Bartel

 

Mit freundlicher Genehmigung des Pforzheimer Kurier