PZ 09.05.2009 PFORZHEIM. Für die Stadt geht es bei der Abwassergebühr um jährlich rund 24 Millionen Euro, die sie braucht. Für jeden Bürger um Hunderte oder gar Tausende von Euro, die er zahlt. Ein Gericht stellt nun dieses System in Frage.
Das schriftliche Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe, das der PZ vorliegt, stammt vom Anfang der zurückliegenden Woche. Es beinhaltet im wesentlichen die Aufhebung eines Abwassergebührenbescheids der Stadt Pforzheim, er legt der Stadt die Gerichtskosten auf und lässt eine Berufung zu. Die Folgen aber weisen, wenn das Urteil rechtskräftig wird, weit über diesen Einzelfall hinaus.
„Kalkulation fehlerhaft“ „Die Abwassergebührensatzung ist unwirksam“, sagt Andreas Kiefer. Der Rechtsanwalt ist bei der Pforzheimer Kanzlei Ladenburger der Experte für öffentliche Abgaben und er hat den juristischen Erfolg über die Stadt Pforzheim errungen. Der gründet sich, wie Kiefer zusammenfasst, im wesentlichen auf drei Aspekte. „Erstens ist die Entstehung der Gebühr nicht hinreichend dargelegt“, zählt er auf. Zweitens habe das Gericht die Gebührenkalkulation als fehlerhaft eingestuft, weil die Satzung das Jahr 2006 zugrunde lege, aber auf den Zahlen des Jahres 2007 beruhe.
Auch für die weitere Zukunft melde das Gericht Zweifel an der Abwassergebührenkalkulation an, weil die Stadt ihren Abwasserbetrieb unter dem Namen Eigenbetrieb Stadtentwässerung Pforzheim zur Tochterfirma machte und ihm einen Riesenberg Schulden überschrieb.
Dafür erhebt sie Zinsen, die seitdem per Gebührenkalkulation auf die Kunden durchschlagen. Das sind quasi alle Pforzheimer, weil es im Abwassersektor keinen Wettbewerb gibt, sehr wohl aber den Zwang zum Anschluss an die Kanalisation.
„Zu gebührenzahlerfreundlich “Die Vorgehensweise der Stadt bei der ESP-Gründung wirft für das Gericht die Frage auf, „ob die Zinsbelastung nicht zu auf die Gebührenzahler nicht abwälzbaren, weil nicht erforderlichen Kosten führt“. Diese Zinsen seien es, die seit der Gründung der ESP die Kostenkalkulation fürs Pforzheimer Abwasser von 19,4 Millionen auf 23,51 Millionen hinaufdrückten – und somit auch den Abwasserpreis, der nicht viel anderes ist als die Kosten, umgelegt auf die Menge des in die Kanalisation gelaufenen Abwassers. Dass die Stadt Pforzheim vor der ESP-Gründung 2005 nach eigener Auffassung „zu gebührenzahlerfreundlich“ gewesen wäre, sei nach Meinung des Gerichts nicht zwingend ein taugliches Argument für die heutige Vorgehensweise.
Was aus dieser Entscheidung für die Gebührenzahler und die Stadt folgt, ist völlig offen. Vor allem, da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist: „Es gibt eine Berufungsmöglichkeit, diese Option werden wir ziehen“, sagte Martin Steiner als Büroleiter des im Rathaus zuständigen Ersten Bürgermeisters Roger Heidt. Darüber hinaus gebe es zunächst keine Stellungnahme.
Mit freundlicher Genehmigung der Pforzheimer Zeitung
Anmerkung Gundi Köhler:
Nach meiner Auffassung ist demnach auch die Veranlagung von Kanalanschlussbeiträgen für rund 1 500 Haushalte, bei der ebenfalls Zinsen eingerechnet wurden, fehlerhaft. Bei diesen Bürgern hatte die Stadt (vor ca. 2 Jahren) auf der Basis einer „Globalberechnung“ nachträglich Beiträge verlangt – sogar rückwirkend bis zu 46 Jahre. Es geht um ein Gesamtvolumen von rund 27 Millionen Euro. Wenn die betroffenen Bürger anhand einer Rechnung nachweisen konnten, dass sie die Kanalanschlussbeiträge bereits bezahlt hatten, zog die Stadt ihre Forderung zurück. War die Rechnung aber nach so vielen Jahren nicht mehr auffindbar, war die Zahlung fällig.
Zur Kalkulation der Abwassergebühr mein Leserbrief bereits vom 03.01.2005
Gebührenerhöhung Abwasser in Pforzheim
Geschrieben am 03.01.2005
Am 01. Januar 2005 stiegen viele Gebühren, so auch die Abwassergebühr in Pforzheim um ca.15 %. Laut Beschlussvorlage des Dezernat IV (1. Bürgermeister Andreas Schütze) kann die Anhebung aus formalen Gründen nur in 2 Schritten erfolgen.
Das heißt im Klartext, dass eine weitere Gebührenerhöhung in absehbarer Zeit erfolgt.
Das einstige Amt für Stadtentsorgung wurde vor etwa 1 Jahr von der Stadt Pforzheim ohne Eigenkapital als „Eigenbetrieb entlassen“. Durch die Ausgliederung des „Eigenbetriebs Stadtentwässerung“ musste dieser Eigenbetrieb zum Bestreiten seiner Verpflichtungen bei der Stadt Pforzheim ein Darlehen in Höhe von ca. 55 Millionen Euro aufnehmen und bezahlt für dieses Darlehen jährlich über 6 % Zinsen.
Die ca. 15 %-ige Preiserhöhung ab 01. Januar 2005 und eine weitere, in Aussicht stehende Erhöhung (es ist von insgesamt 33,6 % = 0,75 Euro / m3 Abwasser die Rede), die wir Bürger tragen müssen, dient in erster Linie zur Deckung dieser Zinsen. Eine solche Gebührenerhöhung ist Wucher.
Außerdem kann es nicht Sache der Bürger sein, riesige Rückhaltebecken und Stollen zu finanzieren, die dem Gewerbe dienen. Obsthof, Hohenäcker und Buchbusch als Industrie- und Gewerbegebiete vorzuhalten und den Leitungsausbau den Bürgern in Form von Gebührenerhöhungen (durch Aufnahme von Darlehen) aufzuerlegen, ist unbillig. Wenn dies politisch gewollt ist, muss eine andere Finanzierungsform gefunden werden.
Alles zielt darauf hin, den Eigenbetrieb Stadtentwässerung „zu sanieren“, um ihn danach besser verkaufen / privatisieren zu können. In Pforzheim übt man sich ohnehin seit längerer Zeit mit dem Ausverkauf!
Ich habe gegen diese Gebührenerhöhung (für Zinszahlungen infolge von Infrastrukturmaßnahmen) und die damit verbundenen Pläne der Stadt (Privatisierung) Einspruch erhoben. Jedem Bürger kann ich nur raten, es mir gleich zu tun.
Die oben genannte Gebührenerhöhung hat mit der geplanten Einführung einer getrennten Abwassergebühr getrennt nach Schmutz- und Niederschlagswasser (Regenwasser) nichts zu tun. Diese Einführung erfolgt erst zum 01.01. 2006.
Gundi Köhler